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Filmtext

Gefangen im Spinnennetz

Der Nebel des ersten Bildes ist wie ein Vorhang, den die Kamera im schnellen Flug durchdringt, um den Blick auf die Bühne des Lebens zu richten. Nur langsam gewinnt das Kamera-Auge dabei an Schärfe, während der gleichmäßige, ununterbrochene Schneefall im Hintergrund fast aller Bilder von Alain Resnais’ neuem Film „Herzen“ (Cœurs) eine wohltuend milde, besänftigende Wirkung erzeugt. Was dahinter liegt, rückt ab und korrespondiert in seiner Undeutlichkeit immer wieder mit der oft durch Raumteiler verschleierten Sicht im Bildvordergrund, wo ein permanentes Wechselspiel zwischen Spekulation und Klarheit im Gange ist. Als befänden sich die Figuren in einem mysteriösen Zwischenreich, wo jede Fremd- und Selbstidentifikation erschwert wird. Vielleicht handelt es sich dabei um jenes rätselhaft Unbestimmte und Fremde, von dem der französische Regie-Altmeister bei der Lektüre von Alan Ayckbourns Stück „Private fears in public places“ (Heimliche Ängste) erfasst wurde. Und das er in seinem nostalgischen Film als den finsteren Teil in uns allen deutet.



Der renommierte englische Bühnenautor wiederum hat sein Stück als „einen Film“ bezeichnet, „der für die Bühne geschrieben wurde“. Resnais’ kammerspielartige, in Cinemascope gedrehte Adaption, die wenige Schauplätze durch eine Parallelmontage verknüpft und so der Handlung episodische Züge verleiht, entwickelt aus diesem Stoff „die Vorstellung von sieben Menschen, die in einem Spinnennetz gefangen sind“, so der Filmemacher.



Zu ihnen gehören die selbstbewusste Nicole (Laura Morante) und der eben aus der Armee entlassene und deshalb arbeitslose Daniel (Lambert Wilson). Die beiden sind verlobt und suchen nach einer neuen, größeren Wohnung, entfernen sich dabei aber immer mehr voneinander. Ihr Makler Thierry (André Dussollier), der ihnen unverdrossen diverse Wohnungen vorstellt, entdeckt derweil seine gläubige Mitarbeiterin Charlotte (Sabine Azéma) als Objekt der erotischen Begierde. Die gutherzige Frau, die nach Feierabend einen kranken, jähzornigen Alten betreut strippt nämlich heimlich vor der Videokamera und verleiht die aufgenommenen Bänder an ihren Kollegen Thierry, später auch an Lionel (Pierre Arditi), den Sohn des bettlägerigen Arthur (Claude Rich). Während sein Vater „versorgt“ wird, arbeitet der Barmann in jener Hotel-Lounge, wo Daniel seinen Kummer ertränkt und sich über eine Kontaktanzeige mit Gaëlle (Isabelle Carré) trifft. Thierrys attraktive jüngere Schwester sucht nämlich auf diesem Weg  - bislang allerdings erfolglos – nach einem Mann.



Auch wenn in Resnais’ „Spinnennetz“, gewoben von den Zufällen des Lebens, alles miteinander zusammenhängt, sind die Fäden doch nur leicht geknüpft. Ihr Knotenpunkte bilden vielmehr Schnittpunkte klar definierter Begegnungen, die sich zu einem ebenso heiteren wie melancholischen Reigen verbinden. Dessen einsame Teilnehmer suchen nach Liebe und Halt, ohne sich von ihrem jeweiligen Ort beziehungsweise aus ihrer eigenen kleinen Hölle lösen zu können. Als sei dies der Preis, der an die moderne Welt zu entrichten ist, von der es in einem anderen Kontext heißt: „Wir kommen nicht ohne sie aus und leiden unmäßig.“ In Alain Resnais’ geistreichem Ensemblefilm ist es deshalb fast schon ein Trost, wenn es denn Protagonisten gelingt, in einem Anflug vergehender Hoffnung ihre Lebenslust zu steigern. (Heidelberg, Kamera)



30. März 2007

 



 

Wolfgang Nierlin

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