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Filmtext

Wenn Kunst das Leben verändert

Der französische Dokumentarist Nicolas Philibert ist hierzulande mit „Sein und Haben“, der bildungspolitisch nach wie vor aktuellen Beobachtung einer abgelegenen Dorfschule, bekannt geworden. Auch sein neuer Film „Rückkehr in die Normandie“ widmet sich einer Landschaft und der mit ihr verbundenen Menschen. Dabei richtet er den Fokus auf den Abgleich zwischen Gegenwart und Vergangenheit sowie die daraus resultierenden Veränderungen, vermittelt durch die Erinnerungsbilder der Befragten. Deren Bekanntschaft konnte Philibert als junger Regieassistent bereits 1975 machen: Damals drehte René Allio mit Laien aus dem Bauernstand seinen auf einem authentischen Mordfall aus dem Jahre 1835 basierenden Film „Ich, Pierre Rivière, der ich meine Mutter, meine Schwester und meinen Bruder getötet habe“. Der dokumentarisch anmutende Titel markiert zugleich den Beginn einer autobiographischen Erzählung, die Rivière in der Haft verfasste und in der er seine Tatmotive dargelegt hat. Der Philosoph Michel Foucault publizierte zusammen mit anderen Quellen diesen Text, der wiederum den Drehbuchautoren als Vorlage diente.



Nicolas Philiberts damalige Aufgabe bestand darin, geeignete Schauplätze und Darsteller für Allios Projekt zu finden. Sein vielschichtiger Erinnerungsfilm „Rückkehr in die Normandie“ verknüpft in der Wiederbegegnung persönliches mit Historischem, er folgt den Spuren der Vergangenheit, um den Menschen „ihre Geschichte zurückzugeben“. Denn für viele der damals Mitwirkenden bedeutete der Film ein „unerwartetes Abenteuer“, das neue Erfahrungen ermöglichte und dabei auch Hoffnungen und Träume von einem anderen Leben schürte. Von „Spuren im Innern“ spricht etwa die seinerzeit 16-jährige Annick Gehan und von einem tieferen Selbstverständnis, das durch die Auseinandersetzung mit der Rolle befördert worden sei. Philiberts Film handelt insofern auch davon, wie die Kunst in das Leben des Einzelnen eindringt und dieses verändert.



Neben diesen Lebensspuren, zu denen das Verschwinden und wieder Auftauchen des damaligen Hauptdarstellers Claude Hébert eine besondere Note liefert, dokumentiert „Rückkehr in die Normandie“ vor allem die Geschichte eines schwierigen Filmprojekts, liefert Hinweise auf René Allios Intentionen und gewährt damit auch Einblicke in das künstlerische Selbstverständnis des bedeutenden französischen Regisseurs. Er wolle mit seiner Arbeit unverwüstlich wie eine Quecke sein, um den „Gefangenen des Bauerndaseins“ und den Unbeachteten eine Stimme zu geben, notiert Allio einmal in sein Arbeitsjournal. In den dokumentierten Spuren der Veränderung und des Bewahrens verlängert Philibert dieses Motiv in die Gegenwart seines eigenen Films. Als beeindruckendes Werk der Erinnerung ist dieser zugleich eine Hommage an den Vater, der in Allios Film einen kurzen, später geschnittenen Auftritt hat und dessen „Film-Bild“ Philibert rettet.





29. Mai 2008

Wolfgang Nierlin

Medienforum Heidelberg e.V.
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