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Filmtext

Königin der Sonne

“Da will ich lieber nicht hin”, sagt die lebenslustige Poppy (Sally Hawkins), als sie in einer Buchhandlung ein Buch mit dem Titel “Die Straße zur Wirklichkeit” entdeckt. Näher liegt der quirligen Frohnatur, die sich dem Unernst des Lebens verschrieben hat, da schon der Kinderbuchtitel „Königreich der Sonne“. Auch wenn der Tonfall von Mike Leighs neuem Film „Happy-Go-Lucky“ leicht und beschwingt ist und der Altmeister des sozialrealistischen Kinos weder freundliche Farben noch romantische Gefühle scheut, so ist doch seine versponnene Heldin keineswegs eine Weltflüchtige. Vielmehr spiegelt sie mit ihren überdrehten Späßen ebenso intelligent wie einfühlsam die Macken und Probleme ihrer Gegenüber. Indem sie diese mit ihrer ungezwungenen, sehr direkten Art kontrastiert, stellt sie auf ironische Weise Autoritäten und gängige Ordnungen in Frage. Darin ähnelt sie durchaus dem von Daniel Thewlis gespielten Spötter aus Leighs früherem Film „Nackt“; nur ist dessen einsamer Nihilismus bei Poppy durch ein provozierend positives Lächeln ersetzt.



Zu spüren bekommt dies vor allem ihr Fahrlehrer Scott (Eddie Marsan), bei dem die 30-jährige Grundschullehrerin Stunden nimmt, nachdem man ihr das geliebte Fahrrad geklaut hat. Der überkorrekte Scott ist ein ausgemachter Verschwörungstheoretiker, der von der „Krankheit des Multikulturalismus“ und der an sich selbst erlebten Unterdrückung des Individuums spricht und unter Verfolgungswahn leidet. Dabei verliebt sich der strenge Lehrer heimlich in seine ausgeflippte Schülerin, die ihn mit ihrem schrillen Ungehorsam förmlich in den Wahnsinn treibt und dadurch seinen Wahn aus Kränkung, Angst und Eifersucht erst sichtbar macht. Poppys schreckliche Aufmüpfigkeit bewegt sich hierbei auf einem schmalen Grat. Indem sie Scott der Lächerlichkeit preisgibt, erfährt sie zugleich seine Verletzlichkeit, die in einem fulminanten Wutausbruch gipfelt. In „Happy-Go-Lucky“ dient diese Grenzverletzung dazu, neben den gesellschaftlichen auch die persönlichen Neurosen aufzudecken.



„Man muss die Muskeln am Laufen halten“, witzelt Poppy einmal gegenüber einem Chiropraktiker, der gerade dabei ist, ihr einen Wirbel einzurenken, den sie sich beim Trampolinspringen eingeklemmt hat. Verschiedene Arten der Fortbewegung und des Lernens durchziehen metaphorisch deshalb mit pädagogischer Milde und unerschrockenem Optimismus Mike Leighs Film. Ob es sich ums Autofahren oder Flamencotanzen handelt, immer geht es dabei um das Einüben von Selbstbehauptung und die „harte Arbeit, erwachsen zu sein“. Dazu gehört natürlich auch die Liebe, der Poppy in Gestalt des Sozialarbeiters Tim (Samuel Roukin) bald begegnet. Trotzdem bleibt ihr Verhältnis zu den Vernunftgründen der Erwachsenenwelt ambivalent; ihr ungezügeltes, kindliches Lachen wirkt hierbei als notwendiges Korrektiv zum gesellschaftlichen Pessimismus. Mike Leigh findet für seine episodisch gestaltete Komödie, die über starke Charaktere und prägnante Situationen entwickelt ist, einen musikalischen Schwebezustand. „Happy-Go-Lucky“ ist insofern kein typisches Feelgoodmovie, sondern ein Film, in dem man sich wohlfühlt, weil sich in ihm wohnen lässt. (Heidelberg, Studio Europa)





6. Juli 2008

 


Wolfgang Nierlin

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