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Hier finden Sie Texte, die über unser Filmprogramm hinausgehen, insbesondere Kritiken, Besprechungen, Quellen und weitere Materialien.

Filmtext

Reise ins Innerste Israels und Palästinas

Ihr Film handelt von einer Gruppe von Palästinensern, die zum ersten Mal in ihrem Leben Israel bzw. Palästina besucht. Warum haben Sie einen solchen Film gemacht?

Ra’anan Alexandrowicz: Im Zentrum des Konflikts zwischen Palästinensern und Israelis stehen zwei Völker, die ähnliche Probleme sowie Traumata haben und dabei die jeweils anderen nicht anerkennen. Mit meinem Film beabsichtige ich vor allem eines: die palästinensische Tragödie Teil werden zu lassen von der israelischen Geschichte. Genauso, wie die israelische Geschichte Teil palästinensischen Bewusstseins werden muss.



Das Besondere an Ihrem Film ist, dass Sie die durch die aktuelle Medienberichterstattung homogenisierte und anonymisierte Gruppe der Palästinenser als Individuen darstellen. Was waren Ihre Gründe dafür?

Ra’anan Alexandrowicz: Vor allem habe ich den Film für das israelische Publikum gemacht. Die meisten Israelis haben keinen oder kaum Kontakt zu Palästinensern. Ihr Bild ist überwiegend geprägt von den täglichen Nachrichtensendungen und daher ziemlich oberflächlich. Mein wichtigstes Motiv, den Film zu machen, war es daher, israelischen Zuschauern das Gefühl zu geben, mit einzelnen Palästinensern eine Reise zu unternehmen und deren Meinungen und Standpunkte zu erleben. Sie sollten etwas lernen über die vielen Facetten dieser Gemeinschaft.

Was Deutschland betrifft, ist es für mich schwierig, die Situation zu analysieren. Bei Vorführungen meines Films hörte ich vor allem zwei Klagen über die Medien. Zum einen, dass die Palästinenser auch hier sehr negativ dargestellt werden und zum anderen, dass die Medienberichterstattung Teil des Konflikts ist. Mein genereller Eindruck aber ist, dass das deutsche Publikum den israelisch-palästinensischen Konflikt sehr distanziert wahrnimmt.



Wenn ein Filmemacher, der der machthabenden gesellschaftlichen Mehrheit angehört, einen Film macht über eine gesellschaftliche Minderheit, deren Bild in der Öffentlichkeit darüber hinaus so sehr geprägt ist von einer oberflächlichen und zudem negativen Medienberichterstattung, wie das der Palästinenser, kann es leicht sein, in die Beschreibung bloßer Stereotypen zu verfallen.

Ra’anan Alexandrowicz: Auf alle Fälle sollte man als Filmemacher die Diskussionen über politische Korrektheit mit in seine Betrachtungen einbeziehen. Solange man den Personen im Film Respekt gegenüber bringt, muss man keine Angst davor haben, nicht mehr politisch korrekt zu sein. Man sollte allerdings klarstellen, dass es sich bei den Personen um Menschen handelt, die tiefer denken und handeln als Stereotypen. Dann ist es auch kein Problem, beispielsweise eine palästinensische Frau sagen zu lassen, sie würde gerne jemanden töten. Ich habe keine Angst, diese politisch inkorrekte Szene in meinen Film zu zeigen, weil sie Teil ist eines größeren Ganzen.



Wie reagierte das israelische Publikum auf Ihren Film?

Ra’anan Alexandrowicz: Bislang zeigten wir den Film in einigen Kinos. Demnächst wird er aber auch im Fernsehen laufen. Viele der Kinozuschauer waren sehr ergriffen. Andere wiederum wussten nicht, wie sie den Äußerungen der palästinensischen Protagonisten begegnen sollen. Zur Zeit leben wir in einer Atmosphäre der mentalen Mobilmachung. Alle Israelis haben Angst und fühlen, dass sie zusammenhalten und sich verteidigen müssen. Es herrscht eine Stimmung, in der zudem die private Redefreiheit gefährdet ist. Ich nehme dabei einen eindeutigen Standpunkt ein und beschreibe als israelischer Filmemacher die palästinensische Perspektive. Obwohl die Aussagen der Reisegäste auf das Publikum sehr menschlich wirken, berührt der Film natürlich einige der tiefsten Gründe für den derzeitigen Konflikt. Er analysiert, warum wir uns in dieser ausweglosen Situation und nicht in irgendeiner Art von Frieden befinden. Doch gegenwärtig ist nicht die Zeit für Selbstkritik. Da reagieren manche Zuschauer verärgert.



Gab es auch Reaktionen, über die Sie sich besonders gefreut haben?

Ra’anan Alexandrowicz: Einmal kam eine streng konservative Israelin auf mich zu und sagte, dass mein Film gesehen zu haben, sie emotional stark berührt habe. Sie sei zwar nicht einverstanden mit der Darstellung, sie hätte aber zum ersten Mal die tiefen religiösen Gefühle mancher Palästinenser und ihre starke innere Verbundenheit zum Land nachvollziehen können. Diese Frau hat genau das angesprochen, was ich mit meinem Film beabsichtigt habe. Meiner Meinung nach kann man eine direkte Linie ziehen zwischen dem, was den Palästinensern heute geschieht und der jüdischen Tragödie in Europa vor 50 Jahren. Auch wenn eine konservative Jüdin nicht mit dem Inhalt des Filmes übereinstimmt, ihn aber angeschaut hat, dann hat sie sich wenigstens für eineinhalb Stunden mit den Protagonisten identifiziert. Über lange Sicht gesehen, kann das vielleicht den Effekt haben, dass diese Perspektive Teil der israelischen Repräsentation des Problems wird.



Haben auch Palästinenser Ihren Film gesehen und wie waren deren Reaktionen?

Ra’anan Alexandrowicz: Gegenwärtig ist es mir nicht möglich, den Film, Palästinensern zu zeigen, da ich keinen Kontakt zu meinem Produzenten in Ramallah habe. Die Protagonisten des Films haben ihn jedoch gesehen. Ich muss sagen, dass die Mehrheit ihn nicht mochte. Nachdem sie aber mit anderen Zuschauern gesprochen haben, änderten sie ihre Meinung. Was sie am meisten störte, war, dass ihnen der Film nicht aussagekräftig genug war. Doch das kommt nicht von ungefähr. Eines der zentralen Themen des Films ist die Verbundenheit palästinensischer Flüchtlinge zu ihrem Land. Beispielsweise zeigt die stärkste Szene des Films den alten Abu Mohammed, der zurück kommt in sein Dorf, das er 1948 verlassen musste und in dem er seine gesamte Familie verlor. Gerne hätte ich noch mehr solcher Szenen gezeigt, Palästinenser der zweiten oder dritten Generation aber fühlen nicht diese starke, innere Verbindung. Sie arbeiten zwar daran, sie ist jedoch nicht so natürlich wie bei dem alten Abu Mohammed. Wahrscheinlich war es für manche der Protagonisten enttäuschend zu sehen, dass sie zwar starke Gefühle hegen für ihr Land, diese aber in Bildern nicht unbedingt umsetzen können.



Glauben Sie auf der Grundlage Ihres Films an eine Lösung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern?

Ra’anan Alexandrowicz: Leider habe ich keine Lösung parat. Ich glaube aber, dass sie nur auf der Basis gegenseitiger Identifikation und Anerkennung der Probleme des anderen sowie gegenseitigen Verständnisses gelingen kann. Ehrlich gesagt bin ich diesbezüglich jedoch sehr pessimistisch und habe sogar Angst.

Volker Kull

erstmals veröffentlicht im Film & TV Kameramann 8/2001
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