Paul (Sebastian Urzendowsky) ist nicht willkommen. Unangemeldet und für unbestimmte Zeit nimmt der 16-Jährige in den Sommerferien Quartier bei der Familie seiner Tante Anna (Marion Mitterhammer). Misstrauisch und reserviert reagieren die unfreiwilligen Gastgeber auf den Eindringling, dessen Motive nur angedeutet werden: Seit dem verstörenden Selbstmord des Vaters leidet Pauls Verhältnis zu seiner Mutter unter Spannungen. Auf dem großzügigen Anwesen der wohlsituierten Verwandtschaft ließe sich vielleicht Abstand gewinnen. Aber Pauls Anwesenheit in der nur scheinbaren Idylle einer bürgerlichen Familie, sein unbearbeitetes Trauma und seine aufkeimende Liebe zu Anna machen die Bruchstellen im labilen Beziehungsgefüge erst sichtbar. Latente Konflikte und unterdrückte Aggressionen, die vor allem das Verhältnis zwischen Anna und dem von ihr ehrgeizig zum Klavierspiel angetriebenen Sohn Robert belasten, lösen wie nebenbei immer wieder emotionale Erschütterungen aus.
Kälte, Sprachlosigkeit und uneingestandene Verletzungen führen in Matthias Luthardts eindringlichem, vielfach ausgezeichnetem Spielfilmdebüt „Pingpong“ zu einem Überdruck der Gefühle. Kammerspielartig, auf einen Schauplatz und wenige Figuren konzentriert, entwickelt der junge Filmemacher mit nüchternem Erzählduktus, einer offenen Dramaturgie und distanzierter Beobachtung die mehr angedeuteten, schwelenden Konflikte. In intensiven Blicken, minimalen Verschiebungen der Beziehungskonstellationen und plötzlich implodierenden Gefühlen verdichtet sich das Bild einer selbstzerstörerischen bürgerlichen Familie, metaphorisiert im Tümpel mit den toten Fischen, zum schrecklichen Gefängnis, von lästigen Insekten umschwirrt. (Heidelberg, Karlstorkino, 6.12.)
4. Dezember 2006